Avicenna als Vorläufer “Omar Chajjams“. Christian H. Rempis
In: Orientalistische Studien: Enno Littmann zu seinem 60. Geburtstag am 16. September 1935 überreicht von Schülern aus seiner Bonner und Tübinger Zeit. 1935, p. 149–156
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Fitz Gerald und Omar Khajjam
Fitz Gerald und Omar Khajjam. Joseph Steinmayer
In: Süddeutsche Monatshefte, Juni 1911, p. 710–726
Discusses influence of Persian literature and how FitzGerald treated the quatrains that he translated. Steinmayer also compares a number of FitzGerald’s translation with corresponding quatrains in Whinfield (translated into German)
Strophen aus FitzGerald’s Omar Nachdichtung
Strophen aus FitzGerald’s Omar Nachdichtung. Gustav Keyssner
In: Süddeutsche Monatshefte, Juni 1911, p. 698–710
Keyssner argues that although there are already a number of German translations of Omar Khayyám’s rubáiyát, he still remains rather unkown. Followed by a translation into German of 61 quatrains after FitzGerald.
Zwei deutsche Chajjam-Gesellschaften und ihre Gründer
Zwei deutsche Chajjam-Gesellschaften und ihre Gründer. Eine Spurensuche. Wilfried W. Meijer
In: Persica, vol. 28, (2023-2024), p. 59-127
Part of the Omar Khayyám story in the West is the history of the so called Omar Khayyám clubs. The first one was the Omar Khayyám Club of Londen, established in 1890 and still existing. A second club was the Omar Khayyám Club of America, founded in 1920. A century after the English club a Dutch club was founded in 1990, that too is still alive: the Nederlands Omar Khayyám Genootschap. However, there was also a club in Germany: die Deutsche Chajjam Gesellschaft (DCG) in Tübingen. Other than the mentioned clubs this Gesellschaft was rather a company or enterprise than a society. Its primary purpose was publishing and promoting the work of its founder, Chr. Rempis, who contributed significantly to the study and understanding of Khayyám’s rubáiyát. Unknown to this day however is the story of a second German Gesellschaft. It was founded in Osnabrück in 1949 by Th.F.K. Krohm. Whereas the Tübingen Gesellschaft became known through Rempis’ translations and studies, the Osnabrück club hardly evoked publicity despite its ambitious name: die Omar Khayyam-Gesellschaft zur Pflege iranischer Literatur (OKG).
Strophen aus FitzGerald’s Omar Nachdichtung
Strophen aus FitzGerald’s Omar Nachdichtung. Gustav Keyssner
In: Süddeutsche Monatshefte, Juni, 1911. Pp. 698-710
Wach auf! Hörst du des Morgens Kampfruf nicht,
Vor dem in Schreck vergeht der Sterne Licht?
Und schon wirft um die Höhn sein goldnes Netz
Der Jäger, der hervor aus Osten bricht.
Das junge Jahr weckt alter Sehnsucht Schmerz:
Da suchen wir die Einsamkeit, O Herz,
Wo Jesu Atem weht und Blütenschnee
Gleich Mosis Antlitz leuchtet himmelwärts.
Die Rosenpracht Irams versank im Sand,
Und Dschemschids Kelch — wer weiß wohin? entschwand.
Doch glüht der Wein, wie einst, Rubinen gleich.
Und Gärten blühn, wie einst, an Flusses Rand.
Den Becher füllt! und in des Frühlings Brand
Verbrennt der Reue winterlich Gewand!
Der Vogel ‘Zeit’ stiegt, ach, nur Kurzen Weg
Und hat zum Flug die Schwingen schon gespannt.
Der Frühlingswind, der neue Blüten weckt, —
Wie mit den welken er den Rasen deckt!
Und dieser Monat, der die Rose bringt,
Hat Dschemschids Reich und Ruhm in Staub gestreckt.
Die Au’n, die Wüstenei und Saatland trennen,
Durchstreise froh mit mir! Du wirst’s erkennen
Hier, wo man Sultan nicht, noch Sklaven Kennt:
Ein Tor nur Kann den Sultan glücklich nennen.
Ein Krug voll Kühlen Weines, und dazu
Ein Laibchen Brot, ein Liederbuch — und du.
Ein Lied mir singend in der Wildnis hier:
So wird die Wildnis mir wie Edens Ruh’.
Sieh, Freund, die Rose dort im Gartenhag!
„In Freuden”, sagt sie, „blüh’ ich meinen Tag
Und klage nicht, daß meine volle Pracht
Der nächste Windhauch schon entblättern mag!”
Das irdische Glück, das sich der Mensch ersteht.
Zerstiebt im Nu; wenn’s länger je besteht,
Gleicht’s nur dem Schnee, der auf der Wüste Grau
Ein Stündlein glänzt, auch zwei — und dann vergeht.
Häuft nur das Gold als heiß erkämpften Raub!
Verstreut es in den Wind wie welkes Laub!
Der Reichste wird im Tode Staub, nicht Gold,
Und nicht des Ärmsten Neid mehr weckt sein Staub.
Zwei Tore hat dies alte Herbergshaus:
Durchs Tor des Tages zog zu Rast und Schmaus
Ein Sultan nach dem andern prunkend ein,
Durchs Tor der Nacht dann, o wie bald, hinaus!
Von Schlang’ und Leu ist heut das Schloß bewohnt.
Wo Dschemschid einst in Glanz und Lust gethront.
Und ruhig graset nun das scheue Wild
Am Grab Bahrams, der einst Kein Wild verschont.
Die Rose, mein’ ich, muß in tiefster Glut
Erblühn aus eines toten Herrschers Blut
Und dort die Hyazinth’ am schönsten, wo
Ein schönes Haupt im Schoß der Erde ruht,
Und dieses Gras, das weich und dicht umschließt
Den klaren Bach, der uns zu Füßen fließt —
Sanft lehne dich darauf! wir wissen nicht,
Aus welch einst holdem Leib vielleicht es sprießt.
Im Weine bad’ ich mir die Seele klar
Vom Gram um das, was sein wird und was war.
Was ‘morgen?’ Sterb’ ich morgen, ist es so,
Als sei ich tot schon siebentausend Iahr.
Ach, die wir liebten, die Bewährten, Besten
Der auf des Schicksals Kelter Ausgepreßten,
Sie tranken eine Runde früher aus
Und ruhen still nun von des Lebens Festen.
Und wir, die an der Statt, geräumt von ihnen.
Uns noch des Sommers freun, der uns erschienen.
Bald suchen wir auch in der Erde Schoß
Die Ruhstatt — um als Ruhstatt wem zu dienen?
Was wir vollbringen möchten, rasch geschehn
Muß alles, eh’ auch wir zur Ruhe gehn.
Denn ruhn wir Staub bei Staub erst, bleibt uns nichts:
Kein Wein, Kein Lied, kein Freund – Kein Auferstehn.
Horch! eine Stimme ruft vom Minaret:
„Ihr, die ihr alles Heil im Heute fehl,
Und ihr, nur auf ein fernes Einst bedacht,
O, wie ihr beide in die Irre geht!”
Die Weisen, Heiligen, die einst der Kunde
Sich rühmten von des Lebens Ziel und Grunde —
Vorbei ihr Glanz! Wie Spreu verflog ihr Wort,
Und Staub nur führen heut sie noch im Munde.
Komm! laß den Weisen: was er spricht, ist leer.
Eins ist gewiß: das Leben eilt gar sehr.
Eins ist gewiß und alles andre Trug:
Die Blume, die verblüht ist, blüht nie mehr.
In meiner Jugend trieb mich für und für
Zu heiligen Lehrern meine Wißbegier.
Viel hohe Dinge hört’ ich — doch hinaus
Trat, wie hinein, ich durch die selbe Tür.
Des Wissens Saat bestellt’ ich, fast noch Kind,
Und wartet’ ihrer, rastlos, treu gesinnt.
Und meine ganze Ernte ist nun dies:
„Ich Kam wie Wasser, gehe gleich dem Wind.”
Es schwang sich durch der sieben Himmel Tor
Mein Geist bis auf den Thron Saturns empor;
Und manche Rätsel löst’ ich, doch es blieben
Mir Tod und Schicksal Rätsel wie zuvor.
Da war ein Tor, das mir kein Schlüssel zwang;
Ein Schleier, den mein Auge nicht durchdrang;
Ein Kurz Geraun’, es klang wie ‘Ich’ und ,Du’ —
Und nichts mehr dann wie ‘Du’ und ‘Ich’ erklang.
Da ries ich fragend auf zum Himmelsthron:
„Welch Licht gibst du dem armen Erdensohn
Zum Führer durch der Irrfahrt dunkle Nacht?”
„Ein blind Erkennen!” klang’s zurück voll Hohn.
Dann, als ich meines Bechers tönem Rund
Nach Antwort dürstend setzte an den Mund,
Hört’ ich ihn murmeln: „Trink, so lang du lebst!
Nie Kehrst du wieder aus des Grabes Grund!”
Mich dünkt, der Ton, aus dem dies Wort erklang.
War einstens wohl — verstummt seitdem wie lang ! –
Ein Mund, der lacht’ und trank und Küsse gab
Und Küsse nahm in heißem Lebensdrang.
Denn einen Töpfer hab’ ich jüngst gesehn
Noch Kurz vor Nacht in seiner Werkstatt stehn.
Und wie den Ton er eisrig Knetend schlug —
„Sacht, Bruder, sacht!” hört’ ich den Ton da flehn.
In Nacht und Wüste nur ein flüchtiges Hell
Gönnt dir, zu trinken von des Lebens Quell . . .
Die Sterne schwinden, und die Karawane
Zieht fort ins graue Nichts — trink schnell, o schnell !
Ihr Freunde wißt, wie ich vor langer Zeit
Ein neues Lieb beim Becherklang gefreit:
Vernunft, die dürre Alte, jagt’ ich fort
Und nahm zum Weib die holde Trunkenheit.
Ich sprengte Kühn der Lebensrätsel Schrein,
Vermaß mit Zirkel, Schnur und Lot das Sein;
Von allem doch, was immer ich durchsorscht,
Taucht’ ich in nichts so tief wie in den Wein.
Jüngst, als im Abendgrau»n ich sinnend stand.
Erschien ein Engel mir im Lichtgewand,
Ein voll Gefäß mir bietend, das er trug —
Und Wein war’s, was mir reichte seine Hand!
O Wein, du Prediger, dessen Geistesmacht
Den Aufruhr stillt, den Sektenzank entfacht!
Du Alchemlst, des Lebens trübes Blei
Verwandelnd in des Goldes heitre Pracht!
Wein! großer Mahmud, glück’ und siegbewehrt!
Den schlimmen Feind, so uns am Marke zehrt,
Der Sorgen und der Zweisel dunkle Schar
Trifft und vertilgt dein blankes Zauberschwert.
Indes am Strom die Rosendüfte ziehn,
Freu’ mit Khajjam dich an des Weins Rubin!
Und naht der Engel einst und reicht im Kelch
Den dunklem Trank dir — furchtlos trink auch ihn.
Kein ‘Ja’ noch ‘Nein’ gibt’s für den Ball im Flug;
Er stiegt so, wie des Spielers Hand ihn schlug.
Und Er, der dich ins Feld des Daseins warf.
Weiß alles — er, er weiß! Das ist genug.
Rasch gleitend schreibt die Hand und gleitet fort,
Doch was sie schrieb, das steht für immer dort;
Kein Anschlag, kein Gebet zwingt sie zurück.
Kein Tränenstrom löscht nur ein einzig Wort.
Was rufst dem Himmel du dein Flehen zu —
Dem hohlen Rund, hinrollend ohne Ruh
Ob unsrer Lebensaual und Todespein?
Ohnmächtig ist er, Tor, wie ich und du.
Der Kaum erschaffnen Erde frischem Ton
Entnommen ward der letzte Menschensohn,
Und was der Richter liest am jüngsten Tag,
Geschrieben ward’s am Schöpsungsmorgen schon.
Als aus der Schöpsungsgluten flüssigem Golde
Der werdenden Stern’ und Tonnen Strom entrollte.
Schlug Wurzel schon die Reb’ in dem Gemisch
Von Seel’ und Staub, das Ich einst werden sollte.
Drum bleib’ ich, trotz euch Frömmlern, treu dem Wein,
Und aus dem armen Erz, der Seele mein,
Schmied’ ich den Schlüssel mir zur Tür des Heils,
Die nie sich öffnet euren Litanei’n.
Ob mich das wahre Licht, das ich verehre,
In Lieb’ entflamme, ob in Zorn verzehre —
Im Rausch noch bin ich näher feiner Huld,
Als im Gebet des Heuchlers Herz, das leere.
Du hast des Menschen Pfad durch diese Welt
Mit Schlingen und mit Gruben eng umstellt
Vorausbestimmt hast du ihm jeden Schritt:
Wirst du es Sünde nennen, wenn er fällt?
Du, der aus schlechtem Ton uns werden ließ
Und Adam schon versucht’ im Paradies!
Ward Sündigen nun der Menschen schnödes Erbe,
Vergib’s — und dir vergeben mögen sie’s.
Hört mir noch einmal zu! Vor Neumondschein
Am Schluß des Ramazan stand ich allein
In jenes alten Töpfers Werkstatt; rings
Umgaben Krüg’ und Schalen mich in Rei’n.
Und seltsam war’s: der Tongeschöpfe Heer
Hub an zu sprechen — diese leicht, die schwer — ,
Und einer plötzlich rief voll Ungeduld:
„Wer ist der Krug, sagt! und der Töpfer — wer?”
Ein zweiter sprach: „Die Hoffnung mag mir frommen:
Umsonst nicht ward mein Ton der Erdé entnommen.
Und nicht wird in den Boden Er zurück
Mich stampfen, der mich formte so vollkommen!”
Ein dritter: „Schont des Trunknen Übermut
Die Schale doch, draus er sich gütlich tut!
Und Er, der uns in Schöpferliebesdrang
Gesormt, zerschlüg’ uns dann in blinder Wut?”
Drauf schwiegen alle. Dann rief von der Wand
Ein plumper Krug, der angelehnt dort stand:
„Sie spotten, weil ich schief bin . . . War vielleicht.
Als Er mich dreht’, unsicher Seine Hand?”
Ein andrer nun: „Man sagt: ,seid auf der Hut!
Ein schlimmer Schenke, rot von Höllenglut,
Wird euch mit Faustschlag prüfen» — Glaubt es nicht!
Nein, gut ist Er, und einst wird alles gut!”
Und seufzend nahm noch einer dann das Wort:
„Ach, man vergaß mich, und mein Ton verdorrt!
Doch füllte wer mich mit dem trauten Naß,
Aufleben würd’ ich, glaubt es mir, sofort.”
Als noch folch Flüstern ging durch ihre Reih’n,
Traf einen des ersehnten Neumonds Schein.
Da raunten alle freudig: „Brüder, seht!
Das Fest ist da! schon weht ein Duft von Wein!”
Mein schwindend Leben, labt es noch mit Wein,
Den Leichnam wascht mit Wein, statt Spezerei’n,
Aus Weinlaub stechtet mir ein Totenhemd
Und macht mein Trab an blühendem Gartenrain!
Dann wird aus meiner Asche noch ein Duft
Von Wein aufsteigen, hangend in der Luft
Als Fallstrick, drin sich rettungslos verfängt
Der Fromme, der zu nah kommt meiner Gruft.
Bei denen ich so lang gesucht mein Heil,
Die Götzen ließen mir ein schlimmes Teil;
Denn meine Ehre ward im Wein ertränkt
Und um ein Lied mein guter Name feil.
Ja, oft gelobt ich Reue, es ist wahr!
Ich schwor — doch ob beim Schwur ich nüchtern war?
Dann Kam der Frühling, Rosen in der Hand,’
Und riß in Stücke meine Reue gar!
Ob auch der Wein zum Ketzer mich getauft
Und meiner Ehre Kleid mir arg zerrauft.
Doch frag’ ich immer: Kann ein Winzer je
Kaufen so köstlich Gut, wie er verkauft?
O Liebe, hätten wir des Schicksals Macht,
Wir wollten diese Welt voll Schmerz und Nacht
Zertrümmern, eine neue draus zu bau’n,
So schön, wie wir sie sehnend uns erdacht.
Mein Herzensmond, in ewiger Schönheit Flor!
Des Himmels Mond, sieh, steigt aufs neu’ empor
So wird er oft ins Grün noch späh’n nach mir.
Wenn zu den Schatten ich mich längst verlor.
Dann, wenn du Holde wieder übers Gras
Hineilst, den Freunden füllend Glas um Glas,
Denk’ auch an mich, und einen leeren Becher
Stell’ umgedreht dorthin, wo ich sonst saß.
Das Rubaiyat des Omar Khaijam
Das Rubaiyat des Omar Khaijam. Von Hermann von zur Mühlen
In: Westermanns Monatshefte, Juni, 1928. Pp. 365-369
Ich selbst voll Eifer, als ich jung noch war,
Den Weisen lauscht ‘ ich und der Lehrer Schar –
Trotz aller Argumente ging ich stets
So klug, als wie ich eingetreten war.
Das Korn der Weisheit sät’ ich selber auch,
Den Acker pflügt ich nach der Väter Brauch,
Doch meine ganze Ernte ward das Wort:
Du kamst — ein Nebel, und du gehst — ein Hauch.
Was Weise uns und Fromme offenbart,
Die eifrig wirkten nach Prophetenart
Nur Träume sind’s, die sie vom Traum erwacht,.
Vor neuem Traum gemurmelt in den Bart.
Den Weinkrug warfst du um mitsamt dem Wein mir, Gott,
Versiegen ließest du der Freuden Quell zum Spott,
Im gelben Sand verrinnt der Traube edles Naß –
Du torkeltest wohl selbst einher in trunknem Trott.
Wer von uns ist, der stets die Sünde mied – o sagt’s!
Der ab vom Pfad der Tugend nie geriet – o sagt’s!
Wenn schlecht ich handelte und du rachsüchtig strafst,
Wo ist dann zwischen dir und mir der Unter schied – o sagt’s!
Ein Baum, der seine Blüten niederstreut,
Daran das Herz der Freunde sich erfreut,
Er wachse an der Stätte, wo ich ruh’,
Daß keinen je der Weg zu mir gereut.
Die Hand des jungen Morgens warf den Stein,
Davor die Sterne fliehn,erblaßt ihr Schein
Des Ostens Jäger fing des Sultans Schloß
Im Netz aus rosenroten Maschen ein.
Doch schon beim ersten fahlen Dämmrungsschein
Klang aus der Schenke mir der Ruf »Tritt ein!
Was zögerst du? Schon steht der Trank bereit,
Wir wollen ihn dem frühen Lichte weih’n.«
Das Tor springt auf. Es tönt ein Hahnenschrei,
Schlaftrunkne Gäste eilten wir herbei,
Kurz ist die Frist nur, die uns hier vergönnt,
Kein Morgen graut mehr, schwand sie erst vorbei.
Verstummt ist Davids Mund. Doch süßer Schall
Tönt stets noch aus dem Lied der Nachtigall
Sie singt von Liebe und sie singt vom Wein,
Daß rot erglühn die blaßen Rosen all.
Die Becher füllt! Werft in die Scheiterglut
Des Frühlings eures Winters Sorgenmut!
Denn furz nur ist der Weg des Vögleins »Zeit«,
Schon schwirrt’s dahin im Flug, der nimmer ruht.
Im Grase, das den Rand der Wüste deckt,
Lieg ‘ ich getrost, in Ruh’ dahingestreckt,
Vergessen ist des Sultans Mahmud Glanz,
Vergessen, was sein goldner Thron bezweckt.
Ein Liederbuch! Zur Stütze dient es mir.
Ein Becher Wein, ein Brot — allein mit dir
Wenn süßer Sang von deinen Lippen tönt,
So wird zum Paradies die Wüste hier.
Ob goldne Schätze gierig ihr gehäuft,
Ob ihr verstreut sie, wie der Regen träuft
Gleich nichtig seid ihr, wurdet ihr erst Staub,
Drobhin der Fuß des flücht’gen Schakals läuft.
Ach, nirgends blüht die Rose halb so gut
Mir däucht’s — als dort, wo tief ein Cäsar ruht,
Die Hyazinthe duftet süßer nie
Als wo ein Herz gebrannt in Liebesglut.
Das zarte junge Grün am Bachesrand
Das grünt und sprießt — oh fühlt’s mit weicher Hand
Betretet es behutsam – wißt ihr denn
Aus weßen roten Lippen es entstand ?
In diese Welt, der Schatten schwankes Meer,
Wir treten ein wer sagt weshalb woher,
Wir schwinden hin, daß uns der Wind verstreut,
Wohin enteilen wir wer sagt’s uns, wer?
Man zwingt uns in dies Dasein ungefragt,
Bis man uns ungehört ins Nichts verjagt –
Wie vieler Becher starken Weins bedarf’s,
Um zu vergeßen, was man mit uns wagt!
Sein heimlich Walten ist der Schöpfung Blut,
Durchdringt das Ganze wie Quecksilberflut,
Nimmt jegliche Gestalt an Fisch und Mond,
Und alles schwindet – ER nur bleibt und ruht.
Ein Schattenspiel nur sind wir anzusehn,
Wie Schatten magiſch kommen wir und gehn,
Die Sonne liefert das Laternenlicht,
Der Herr der Welt läßt alles fein sich drehn.
Tag ist und Nacht sein Schachbrett, hin und her
Schiebt er die Steine hilflos, kreuz und quer,
Bestimmt das Spiel und bietet Schach und schlägt
Und wirft zuletzt uns in die Kiste – ER.
Oh, fürchte nicht daß,schwindet erst dein Sein,
Niemals ein gleiches je sich stelle ein,
Aus ew’gem Most gärt’s noch millionenfach
Gleich mir und dir und wird zu neuem Wein.
Wenn tiefe Schleier einstmals uns umfahn,
Die Welt wie lang noch läuft sie ihre Bahn,
Nichts ist ihr unser Kommen, unser Gehn,
Wie nichts ein Steinwurf ist dem Ozean.
Wie seltsam, daß von allen, die zuvor
Geschritten durch der Schatten dunkles Tor,
Nicht einer kehrte, der uns Kunde gab,
Vom Wege, der uns allen steht bevor.
Die Weisen und die Heil’gen all im Bund,
Die Kundschaft lehrten auf dem Erdenrund,
Sie wurden Staub, den falschen Pred’gern gleich,
Staub unter Staub, und Staub füllt ihren Mund.
Der Lehm, draus Adam einst geschaffen ward,
Bestimmte auch des letzten Menschen Art,
Der Schöpfung erster Morgen schrieb die Schrift,
Die uns der jüngste Tag einst offenbart.
Mit Schlingen und mit Gruben reich versehn
Hat ER den Pfad, auf dem wir strauchelnd gehn,
Warf er sein Nek nur aus, daß es uns fängt,
Daß wir zerknirscht vor ihm als Sünder stehn?
Verlangt er wirklich von der Kreatur
Die Schuld in Gold und gab einst Blei ihr nur,
Besteht er drauf daß sie den Wechsel zahlt,
Dem ihrer Unterschrift fehlt jede Spur?
Rief er uns darum zu dem Sein bewußt
Einst aus dem Nichts, damit verbotne Lust
Wir kosten und verfallen ew’ger Pein,
Da wir gesündigt, weil wir’s so gemußt?
Ja, aus dem Schuldbuch tilgt ein Engel mild
Einst einen jeden Posten, Nichts mehr gilt
Des strengen Richters Spruch, und ihm entfällt
Die Feder vor des Retters blankem Schild.
Der Liebe Hand wird dann der Welten Gang
Befrein und läutern von dem wirren Zwang,
Zerschmettern jeden Trug und spenden uns
All das, was unser Herz ersehnt so lang.
Und wenn der Engel mit dem dunklen Trank
Am Strom des Lebens, auf der schatt’gen Bank
Dir reicht den Trunk, daraus du trinken sollst,
O zittre nicht. Ergreif ihn frei und frank.
Weil deine Seele kraftvoll es vermag
Die Hülle abzustreifen und zum Tag
Frei aufzuschweben wär’s verächtlich nicht
Sich an dies Sein zu klammern wenn’s zerbrach ?
Hienieden wird dereinst das Mondenlicht
Sich oft noch neu’n, und wenn es Zauber flicht
Um Baum und Strauch und silbern glänzt im See,
Wird es euch alle finden mich nur nicht.
Wenn du, der Mond in der Gestirne Schar,
Dich nahst, und wenn dein dunkles Augenpaar
Die Statt erblickt, wo tief ich unten ruh’,
So grüß’ die Erd’, sie ist was einst ich war.
Ihr aber, Freunde, schreitet ihr fürbaß,
Und euer Fuß streift meines Grabes Gras,
Das mir entſproß, leert einen Becher Wein
Und wendet dann mir zu das leere Glas.
Oh, sprach ein andrer, alt und dürr ich ward,
Weil längst kein Wein mich füllt, nach Krugesart,
Schenkt ein in mich mein altgewohntes Naß,
Dann sollt ihr sehn, daß ich mich jung bewahrt.
So führten sie der krausen Reden viel,
Indes des Mondes Licht durchs Fenster fiel,
Da stießen sie sich:an »Freund, bald geht’s fort,
Nicht strauchle, der uns trägt, ‘eh wir am Ziel.«
Wie oft ward ich verleumdet, weil ich mied
Die Götter, die man an als heilig sieht,
Weil nach Genuß ich strebte, nicht nach Ruhm,
Und meinen Ruf verkaufte um ein Lied.
Wie oft, wie oft zerknirscht ich Reue schwur,
Dann aber kam der Frühling durch die Flur,
Im Haar den Kranz von Rosen, und es schwand
Die bittre Reue ohne jede Spur.
Omar Chijâm
Omar Chijâm. E.A. Wollheim de Fonseca
In: Die National-Literatur sämtlicher Völker des Orients. Eine prosaische und poetische Anthologie von A.E. Wollheim. Berlin, Chevalier da Fonseca, 1873. Vol. II, pp. 206-209.
Ein Zauberruf aus unser’m Weinhaus scholl:
Auf Schlemmer! Schwärmer! seyd vom Wein Ihr toll ?
Erwacht! lasst uns das Mass der Becher füllen,
Bevor noch unser eignes Mass ist voll!
O Du, vor allen Erdbewohnern auserlesen,
Bist werter mir als Aug’ und Seel’gewesen!
Zwar Herrlich’res nicht als das Leben gibt’s,
Doch Du bist’s hundertfach, geliebtes Wesen!
Wer führte Dich zu uns berauscht heut Nacht ?
Wer hat entschleiert Dich hierher gebracht?
Hat ihm, der fern von Dit im Feuer brannte,
Dich Jemand zugeführt wie Sturmesmacht?
Die Zeit ist nur ein kurz Karwânserai,
Versuchung sint und Kummer stets dabei;
Nicht ward der Rätsel Lösung uns gegeben;
Wir gehen – im Herzen Sorgen vielerlei.
Erfüll’ ein wünschend Wort das uns entfuhr,
Sonst schweig’ und lass’ uns ziehn auf Gottes Spur;
Wir geh’n grad, doch Deine Blicke schielen
D’rum heil’ Dein Augenpar, und lass’ uns nur!
Auf! komm! das Herz zu stillen, magst Du sagen
Die Lösung einer nur der Ratselfragen!
Sonst bring’ zum Trunk uns einen krug mit Wein,
Eh Krüg’ aus unsem Staub zu drehn sie wagen.
Wenn ich gestorben bin, wascht mich mit Wein
Von Wein und Kelch singt mir in’s Grab hinein.
Und wollt Ihr mich zum Auferstehungstage,
So sucht im Staub der Schenke mein Gebein !
Die Bürgschaft leistet Niemand für das Morgen,
Befrei’ Dein Herz darum von schwarzen Sorgen !
Leer’, Mond, den Glanzkelch d’rum ! Nie sieht der Mond
Und mehr, ob er nun scheint, ob er verborgen.
Der Liebende sei trunken stets und toll,
Von Wahnwitz sei er und von Schande voll !
Bei klarem Sinn geniessen wir nur Kummer;
Sind wir berauscht, dann komm’, was kommen soll !
So viel will Wein ich trinken, dass sein Duft,
Werd’ ich zu Staub, vom Staub steigt in die Luft,
Und dass vom Weindunst tiefberauscht, die Trunknen
Auf meinem Staub tot sinken in die Gruft.
Erstrebst Du etwas, suche einen Nützer,
Bist im Besitz Du, suche einen Schützer
Ein Herz wiegt hundert Lehm- und Wasserkàba’s,
Was soll die Kâba? such’ ein Herz als Stützer !
Ich, Sänger, Wein der wüste Raum — Gewand,
Pokal, Herz, Seel’ weihn wir dem Wein als Pfand;
Der Gnadenhoffnung und der Straffurcht ledig,
Was sind uns Erde, Wasser, Wind und Brand ?
Ein, zwei, drei Tage — und das Leihen flieht,
Dem Winde gleich, der durch die Wüste zieht.
Weg, Gram ! Zwei Tage ja geniess’ ich nimmer:
Den der entflohn, und den man noch nicht sieht !
Da meiner Jugend noch das Heut geweiht ist,
Trink’ Wein ich, weil das meine Seligkeit ist ;
Gut ist er, ob Ihr ihn gleich herbe schimpft.
“Herb ” nur, weil er wie meine Lebenszeit ist.
Der Krug hier ist, gleich mir, in Liebe bangend,
Nach einer Schönen Locken heiss verlangend ;
Der Henkel, den an seinem Hals Du schaust,
Ist eine Hand, der Freundinn Hals umfangend.
Wer einem Becher schöne Form verlieh
Ihn zu zerbrechen wünschet er wol nie ; —
So schöne Häupter. Beine, Füss’ und Hände,
Wess Liebe schuf, wess Hass zerstörte sie .”
Lenztulpengleich greif’ zum Pokal geschwind,
Kredenzt ihn Dir ein tulpenwangig Kind ;
Trink fröhlich Wein! denn dieser blaue Himmel
Kann plötzlich Dich hinschmettern, wie ein Wind.